Rechtstip der Woche: Urheberrecht: Neue Entwicklungen in Filesharing-Verfahren

Nachdem auch im Jahre 2011 wieder mehrere Hunderttausend Abmahnungen in sog. Filesharing-Verfahren ausgesprochen wurden, dürfte uns das Thema auch im neuen Jahr weiter beschäftigen. Hier ein paar kurze Ausführungen dazu, was sich in letzter Zeit verändert hat und was (leider) weiterhin gilt:


1. Fliegender Gerichtsstand
Bisher wurde in der Rechtsprechung ganz überwiegend die Auffassung vertreten, bei P2P-Urheberrechtsverletzungen sei der fliegende Gerichtsstand gegeben. Danach kann sich der Kläger quasi das Gericht aussuchen, vor dem er den Urheberrechtsverletzer in Anspruch nehmen will. Vereinzelt aber wird mittlerweile angenommen, dass der Grundsatz des fliegenden Gerichtstands bei Filesharing-Verfahren nicht mehr schrankenlos anwendbar ist. So entschied zuletzt das AG Frankfurt a.M. mit Beschluss vom 12.12.2011 sowie mit Urteil vom 01.12.2011 - Az.: 30 C 1849/11-25, dass sich der verletzte Urheber das Gericht nicht mehr willkürlich aussuchen kann, sondern nachweisen muss, dass sich der Rechtsverstoß auch in dem Bezirk, dessen Gericht als örtlich zuständig angerufen wird, auch tatsächlich ausgewirkt hat. Nicht ausreichend sei jedernfalls das Argument des Klägers, dass die Internetseite, auf der die Rechtsverletzung erfolgt, dort technisch abrufbar ist.
Vor allem aber führten die hessischen Richter aus, dass für Zahlungsansprüche die Grundsätze des fliegenden Gerichtsstands ohnehin nicht anwendbar sind. Dies ist aber in der Rechtsprechung sehr umstritten.

Es bleibt daher abzuwarten, ob diese Auffassungen im neuen Jahr von weiteren Gerichten getragen wird.


2. Abmahnkosten
Auch die Frage, ob es sich bei Urheberrechtsverletzungen i.S.d. Filesharing um einfach gelagerte Fälle handelt, bei denen die Abmahnkosten gemäß § 97a Abs. 2 UrhG auf 100,-- EUR gedeckelt sind, ist wohl beantwortet. Zwar wird in der Literatur durchaus noch in Fällen, in denen es einmalig zum Download eines einzelnen Musikstücks gekommen ist, die Anwendbarkeit des § 97a II UrhG bejaht - so etwa Faustmann, Ramsperger: Abmahnkosten im Urheberrecht - Zur Anwendbarkeit des § 97a Abs. 2 UrhGMMR 2010, 662 - die Gerichte aber entscheiden durchweg anders.

So ist in der öffentlichen Zugänglichmachung von Musik- oder Filmwerken in einer P2P-Tauchbörse keine "unerhebliche" Rechtsverletzung mehr zu sehen (vgl. AG Hamburg, Urteil vom 07.06.2011 - Az.: 36a 71/11).

Damit sind in Filesharing-Fällen die vollen Abmahnkosten aus dem jeweiligen Streitwert zu ersetzen.

Als Streitwerte sind anzunehmen:

  • einzelnes Musikstück: 2.500,-- bis 6.000,-- EUR
  • Musikalbum: 5.000,-- bis 10.000,-- EUR
  • Film: 10.000,-- bis 30.000,-- EUR.

Zudem ist der Rechtsverletzer verpflichtet, dem Urheber einen Schadensersatz zu leisten. Im Falle des Downloads eines Films in einer P2P-Tauschbörse wurde ein Betrag i.H.v. 250,-- EUR als angemessen angesehen. Für einen illegalen Filmdownload sah das AG Halle (Saale) in seinem Urteil vom 24.11.2009 - Az: 95 C 3258/09 einen Schadensersatzbetrag i.H.v. 100,-- EUR vor - das AG Magdeburg (Urteil vom 12.05.2010 - Az.: 140 C 2323/09) jedoch einen i.H.v. 3.000,-- EUR.

Das OLG Köln hatte geurteilt, ein Schadensersatzbetrag i.H.v. 30,00 Euro pro Musiktitel sei angemessen. Das AG Frankfurt und das AG Hamburg bezifferten den Schadensersatzanspruch für den illegalen Download eines Musikstücks auf 15,-- bzw. 150,-- EUR (vgl. Amtsgericht Frankfurt, Urteil vom 29.01.2010 - Az: 31 C 1078/09-78; Landgericht Hamburg, Urteil vom 8. Oktober 2010 - AZ: 308 O 710/09).

Es kommt hier stets auf den Einzelfall und auch die Auffassung des Gerichts an.

 

3. Verjährung
Der Umstand, dass viele Abmahnkanzleien nach erster erfolgter Abmahnung bei offenen Fällen mehrere Monate oder gar ein Jahr und mehr vergehen lassen, bevor sie sich wieder an den Rechtsverletzer wenden, schadet der Rechtsverfolgung gleichwohl nicht. So bestätigte das Landgericht Köln in seinem Beschluss vom 13.12.2010 – AZ: 28 O 515/10, dass urheberrechtliche Ansprüche gegen den Filesharer erst nach drei Jahren verjähren. Eine schnellere Verwirkung solcher Ansprüchen sei nach Auffassung der kölner Richter nicht anzunehmen.

 

Fazit:
Alles in allem sollte also jeder einzelne Fall genau geprüft und individuell bearbeitet werden.

Letztlich aber ist Licht am Ende des Abmahnwahn-Tunnels sichtbar: nach jüngsten Äußerungen der Bundesjustizministerin sollen jedoch im Jahr 2012 ohnehin umfangreiche Gesetzesänderungen im Online-Recht - etwa hinsichtlich der urheberrechtlichen Abmahnungen im Internet sowie des fliegenden Gerichtsstands - erfolgen.

 

Lesen Sie zu diesem Thema auch unsere weiteren Rechtstips:

Rechtstip der Woche: Urheberrechte im Internet vom 18. Oktober 2011
Rechtstip der Woche: Streitwert bei Filesharing-Fällen vom 23. August 2011
Rechtstip der Woche: Urheberrecht - "gewerbliches Ausmass" bei illegalem Download vom 8. August 2011